Newsletter 8. November 2023
Newsletter online: https://www.publicdomainpool.org/repository/newsletter/23-NL0007Z.html
Laufend kommen neue digitalisierte Tonspuren von Schellackplatten in das Archiv der Schweizerischen Stiftung Public Domain. Diejenigen, die uns irgendwie interessant vorkommen, werden jeweils in unregelmässigen Abständen in einem Newsletter zusammengestellt.
Diesmal konnten wir eine Schenkung von Andrea Matthiesen mit deutscher Unterhaltungsmusik integrieren, die um das Ende des zweiten Weltkriegs entstand. Ausserdem eine bunte Mischung klassischer Musik und Unterhaltungsmusik aus dem Fundus von Martin Osterwalder.
Unsere Website (https://www.publicdomainpool.org/) enthält nähere Erklärungen zum Stand unserer Arbeiten.
ENGLISH SUMMARY
This newsletter documents the progress in establishing an inventory of the archive of shellac records of the Swiss Foundation Public Domain. The records mentioned below can be accessed through the following playlists and albums:
Donation from Andrea Matthiesen, inherited from Heinrich (Heinz) & Ruth Schilling, Frankfurt am Main
Schlager
Dance Music
Popular Music
Layton & Johnstone
Operetta, Musical, Film
Opera Music
Female Voices
Male Voices
Lieder
Choir Music
Religious Music
Instrumental Classical Music
Piano Music
Old Music
Miscellaneous
Joseph Haydn Symphonie, D-dur - re maggiore conducted by Paul Schmitz
Wolfgang Amadeus Mozart Concerto No. 2 in D Major played by Marcel Moyse, conducted by Piero Coppola
Gioachino Rossini William Tell Overture conducted by Henry J. Wood
Georges Bizet L'Arlésienne Suite No. 1 conducted by Thomas Beecham
Donations are sorely needed to pay for the materials and the rent of the storage space.
Spenden werden benötigt
Die Schweizerische Stiftung Public Domain ist dringend auf Spenden angewiesen, um die Büro- und Lagermiete und das Archivmaterial (Plattenhüllen, Archivschachteln) zu bezahlen. Sämtliche Arbeit am Archiv wird ehrenamtlich geleistet. Bitte unterstützt diese Arbeit!
Wer wünscht, dass es das Schellackplatten-Archiv auch in zwei Jahren noch gibt, wird gebeten, dem Förderverein beizutreten.
- Mitglieder (100 CHF/Jahr),
- Gönner (250 CHF/Jahr) und
- Institutionen als Mitglieder (2000 CHF/Jahr)
Es genügt, uns eine Anmeldung als Antwort auf diesen Newsletter zu senden.
Sammlung Matthiesen
Von Andrea Matthiesen, der Erbin von Heinrich (Heinz) & Ruth Schilling, Frankfurt am Main, Deutschland, hat die Stiftung eine Plattensammlung erhalten, die einerseits klassische Musik und andererseits Schlager enthielt, die um das Ende des zweiten Weltkriegs entstanden sind. Ein nicht ganz untypisches und heute gänzlich unkorrektes Beispiel ist Ich nenne alle Frauen "Baby". Irgendwann ist die Babyisierung der Frauen durch die Girlisierung abgelöst worden. Ob wohl der Markennamen "Barbie" 1959 in Anlehnung an "Baby" entstanden ist?
Unterhaltungsmusik
Neben Schlagern, findet man instrumentale Unterhaltungsmusik vor allem als Tanzmusik.
Auch internationale Schlager waren beliebt.
Von den amerikanischen Duettisten Layton & Johnstone fanden wir diesmal gleich 10 Platten.
Viele populäre Melodien stammten aus Operette, Musical oder Film.
Opern, Sänger, Sängerinnen
Die begrenzte Spielzeit der Schallackplatten gab zu vielen Opernquerschnitten Anlass.
Einzelne Sängerinnen oder Sänger präsentierten berühmte Opernarien und andere Lieder und Gesänge.
Chormusik
Chormusik bildet oft eine Brücke zwischen Unterhaltungsmusik und religiöser Musik.
Zwei russische Chöre
Die russischen Emigranten verbreiteten nach der russischen Revolution russisches Volksgut in ganz Europa. Das kleine Glöckchen wird hier von den "Schwarzmeerkosaken" vorgetragen. Die von den Bloschewiken verfolgten Kosaken, waren sozusagen schon als politisches Statement im Westen beliebt. Der Chor wurde 1967 aufgelöst und nach der Wende 1990 neu gegründet und besteht bis heute.
Die politische Gegenseite wird vom Chor der roten Armee der UdSSR vertreten, der hier mit Plaine, ma plaine vertreten ist. Dieser Chor wurde 1928 von A. W. Alexandrow gegründet, dem Komponisten der heutigen Nationalhymne Russlands. Nach 1948 war er in der sowjetischen Besatzungszone beliebt. Auch nach der Wende war dieser Chor aktiv. 2016 stürzte eine Maschine des russischen Verteidigungsministerium mit 64 Mitgliedern des Chors ins Schwarze Meer, die zu einem Konzert auf einem Militärflugplatz in Syrien unterwegs war. Obwohl es keine Überlebenden gab, wurde auch dieser Chor 2017 neu gegründet und tritt bis heute als Chor der Schwarzmeer-Flotte auf.
Religiöse Musik
Auch auf dem Gebiet der religiösen Musik konkurrieren verschiedenste Formen der Religion miteinander. So etwa die "Christian Science" mit In Heavenly Love Abiding. Oder ein "Nonconformist Choir Union Festival" mit dem von mehr als 6000 Stimmen gesungenen Praise, My Soul, The Kingdom of Heaven. Diese Aussenaufnahmen sind eher enttäuschend. Die Tontechnik konnte mit solchen Umständen noch nicht angemessen umgehen.
Klassische Musik
Klassische Musik ohne Singstimmen in kleineren und grösseren Formationen wurde gern zuhause aufgelegt. Da diese oft nicht auf ein oder zwei Plattenseiten à 5 Minuten Platz fand, wurde sie oft als Album herausgegeben.
Alben
Joseph Haydn Symphonie, D-dur - re maggiore dirigiert von Paul Schmitz
Wolfgang Amadeus Mozart Concerto No. 2 in D Major gespielt von Marcel Moyse, dirigiert von Piero Coppola
Gioachino Rossini William Tell Overture dirigiert von Henry J. Wood
Georges Bizet L'Arlésienne Suite No. 1 dirigiert von Thomas Beecham
Piano-Musik
Berühmte Pianisten präsentierten vor allem Chopin in Piano-Solo-Aufnahmen.
Suzanne Gyr
Suzanne Gyr spielt eine Fantasie von Mozart (Seite 1, Seite 2). Diese Pianistin findet man nicht in der Wikipedia. Auf 78experience.com findet sich eine kurze Biographie mit einem interessanten Exkurs von Philippe Morin zur Schellackplatten-Politik in der Schweiz während dem zweiten Weltkrieg:
La carrière discographique de Suzanne Gyr est indissociable de l’histoire de la filiale suisse de His Master’s Voice - The Gramophone Co Ltd. Dans la Suisse entourée pendant la guerre par l’Europe nazie ou fasciste, la politique éditoriale de cette succursale de HMV-Londres devenait problématique. Aussi fut créée en 1941 une série « artistique » dévolue au marché suisse, les DA 6000 (25cm) et DB 6000 à 6099 puis DB10000 (30cm), pressées en Suisse. Essentiellement constituée de disques d’origine américaine (Victor), elle commença par des rééditions de disques anciens (de Toscanini, Mengelberg, Stokowski des années 1929-30), puis par des disques RCAVictor plus récents de Kirsten Flagstad, Lauritz Melchior, Alexandre Kipnis, Marian Anderson, Léopold Stokowski, Serge Koussewitzky, Serge Rachmaninoff, Jascha Heifetz, Paul Hindemith, Eugen Ormandy, disques presque tous déjà publiés en Angleterre. Des disques réalisés en France, le catalogue en reprenait deux : negro spirituals de Marian Anderson et le concerto de Mendelssohn joué par Yehudi Menuhin avec Georges Enesco, disque alors supprimé en France. Ensuite suivit une série de 23 disques réalisés sous la direction de Hermann Scherchen avec l’orchestre de Winterthur, 10 réalisés en août 1941 et 13 en mai 1942. Ce catalogue ne se termina qu’en 1952 avec le numéro DB 10147. En fait l’essentiel fut réalisé de 1942 à 1947, jusqu’au numéro DB 10134. En 1942, après la série des disques de Hermann Scherchen, et quelques extraits de Schneewittchen, spectacle féerique et lyrique d’arrangements de pièces de Schubert réalisé par Félix Weingartner (†en mai 1942) et qui venait d’être monté à Bâle, commença alors le nouveau catalogue suisse avec des solistes, pianistes, organistes, chanteuses et chanteurs résidant en Suisse. Trois pianistes réalisèrent des disques en soliste : Leo Nadelmann (1913-1998) 4 disques : Chopin, Brahms, Schumann) ; Paul Baumgartner (1903-1976), 37 disques, dont 19 où il accompagne Paul Sandoz, Ria Ginster ou Margherita Perras ; Suzanne Gyr, 53 disques, 51 en 1944 et 1945, dont 22 en compagnie de Madeleine Dubuis, Else Fink, Blanche Honegger, Marko Rothmüller. Deux organistes accompagnèrent aussi certains de ces solistes : Hans Vollenweider (1918-1993) et Karl Matthaei (1897-1960). Avec la fin de la guerre, cette politique éditoriale fut totalement arrêtée et la filiale redevint la filiale d’avant guerre diffusant les disques produits par HMV et RCAVictor. Les derniers disques de cette aventure suisse ont été réalisés en 1947 : Los Requiebros des Goyescas de Granados par Suzanne Gyr (DB 10132) et les Quatre Chants Sérieux, op. 121 de Brahms par Paul Sandoz et Paul Baumgartner (DB 10133/4).
Alte Musik
Schon früh versuchten einzelne Labels die Musikgeschichte in ihren Anfängen einzufangen.
Verschiedenes
Immer finden sich Aufnahmen, die sich in keine Kategorie pressen lassen.
Chant palestinien
Dieser Chant du Chamelier ist kein palästinensisches Lied, sondern ein Gesang aus Palästina. Sein Komponist Iedidia Gorochov, oder Yedidyah Admon, wanderte 1906 in die Region Palästina aus. Man sucht ihn vergebens auf Wikipedia, aber die Encyclopedia Judaica enthält folgendes Biogramm (mittels Google Translate ins Englische übersetzt):
ADMON (Gorochov), YEDIDYAH (1897–1982), Israeli composer. Admon, who was born in Yekaterinoslav, Ukraine, went to Erez Israel in 1906. From 1923 to 1927 he studied theory of music and composition in the U.S. In 1927 he returned to Palestine and in the same year published his first songs, among them the popular "Gamal Gemali" (Camel Driver's Song). In 1930 he went to Paris to study with Nadia Boulanger, the French music teacher. For several years Admon was director of the Israeli Performing Rights Society (acum). After spending 13 years in America, he returned to Israel in 1968. Admon was a pioneer in the field of Israeli song. He was one of the first Israeli composers, and one of the earliest to create a new style which served, often subconsciously, as a model for other composers. This style blends four elements: the music of the Oriental Jewish communities, especially the Yemenite and Persian; Arab music; hasidic music; and Bible cantillation. The result is an absolute organic unity. The rhythm of the Hebrew language is also an important factor in Admon's music. He was awarded the Israel Prize for the arts in 1974. His work includes music for the theater – Bar Kokhba; Michal, Daughter of Saul; and Jeremiah – for piano and violin, and a symphonic poem, The Song of Deborah.
Das Lied wurde von Melodien der Beduinen inspiriert.
Solche alten kulturellen Zeugnisse können wie jede historische Tatsache als legitimierende Argumente in aktuellen Konflikten von beiden Seiten missbraucht werden. Dazu eignen sie sich schlecht. Denn die Lösung aktueller Konflikte muss zukunftsgerichtet sein. Die Vergangenheit holt niemand zurück. Und hinter jeder historischen Legitimierung solcher Konflikte, steht eine noch ältere "ursprüngliche" Konfliktursache. Man kann aber aus alten kulturellen Zeugnissen lernen, wie sich das Leben damals anfühlte, als man noch nicht wusste, was daraus wird. Offenbar kam dieser Jude nicht erst 1948 in die dann Israel genannte Region. Und er hatte keine Berührungsängste mit der ihn dort umgebenden orientalischen Kultur sondern war an ihr interessiert. Die angeblich schon ewig bestehende Feindschaft entstand erst später.
William Wordsworth
Als ich die Texte dieses britischen "Lake Poet" zum ersten Mal las, war ich enttäuscht, weil seine britsche "Romantik" und die deutsche "Romantik" so gar nichts Gemeinsames hatten. Dies etwa im Unterschied zum "Ancient Mariner" seines Freunds Samuel Taylor Coleridge, der mit dem Wordsworth-Gedicht Tintern Abbey in einem Band erschien. Diese Sprechplatte mit Auszügen aus seinem Gedicht Ode: Intimations of Immortality from Recollections of Early Childhood zeigt Qualitäten dieses Autors, wenn man sich von auf falschen Erwartungen fussenden Vorurteilen befreit.
Rückmeldungen
Zur chinesischen Platte mit Qu Yunyun haben wir Zusatzinformationen von Lesern des Newsletters erhalten. Einerseits konnte nun klar identifiziert werden, dass die beiden Plattenseiten 1952 aufgenommen wurden. Weniger klar ist der Aufnahmeort (Taiwan oder Hong Kong?) und das Label (Shanghai Pathé oder Hong Kong EMI?). Die Liedtexte konnten mit Hilfe von Google Translate auf Englisch übersetzt werden und sind nun in den Metadaten integriert und sichtbar, wenn man die Platte anwählt. Die Meinungen gehen auseiander wie sie - besonders das Lied über die dumme Schwester - zu interpretieren sind. Sie reichen vom Privaten bis zum Politischen. Jedenfalls wurde Unterhaltungsmusik kurz vorher von Maos "Volksrepublik China" aus Shanghai verbannt bzw. vertrieben, weil sie die Jugend korrumpiere, und zog sich nach Hong Kong oder in die "Republik China" auf Taiwan zurück.
Beni Müller steuerte noch die Information bei, dass Qu Yunyun auch mit Musik aus dem Westen berühmt wurde und etwa 1945 La vie en rose von Edith Piaf vortrug.
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